Fahnenappell (Quelle)

Jeden Montag begann ab 5. Klasse unsere Schulwoche mit einem Fahnenappell. Jahrein, jahraus. Das war ein halbmilitärisches Zeremoniell mit allen erdenklichen und tagesaktuellen sozialistischen Parolen. Hier wurden Beste ausgezeichnet, aber auch Sündenböcke an den Pranger gestellt. Nicht wirklich schön …

Doch jetzt gehörten ja auch wir zur Oberstufe. Hatten also auch mit stramm zu stehen.

Bei einem Appell mussten wir alle so lange ausharren, bis ein Schüler bei sich zu Hause, er wohnte unweit der Schule, seine Hose wechselte. Er hatte sich erdreistet, mit einer Blue Jeans, oder wie es damals hieß, mit einer Nietenhose in die Schule zu kommen. Das ging natürlich nicht! Mit der Hose des Klassenfeindes anzutreten, ein Unding! Die ganze Schule wartete nun im Stillgestanden, bis der Übeltäter wieder anwesend war und alle mussten dann die verlorene Zeit mittags nachholen, länger bleiben. Alle geschätzten 400 Schüler und Lehrer.

Der Staat war bekloppt! Ein paar Jahre später nähte die DDR selbst Jeans für die “Jugendmode” (Name der Bekleidungsgeschäfte für Jugendliche), allerdings in miserabler Qualität.

Bereits 1966 (Lehre) trug ich einen kompletten Jeans-Anzug von Levi Strauss aus Amerika, da scherte sich schon niemand mehr darum …

Russisch-Buch

Ab 5. Schuljahr mussten wir Russisch lernen. Englisch wäre mir lieber gewesen. Obwohl: Russisch sollte ja bald Weltsprache Nr.1 sein. Gleich nach dem Sieg des Kommunismus …

Das es kein Sieg sondern ein Siechen wurde, wusste da noch kein Lehrer!

Trotzdem, auch ich freute mich auf die erste zu erlernende Fremdsprache. Allerdings nur bis zur ersten Russischstunde:

Da kam Fräulein R., die Lehrerin, wie eine von der Tarantel gestochene Vogelscheuche ins Klassenzimmer gestürmt. Sie plapperte gleich auf russisch los: “Eto Lampe, eto Bild, eto Buch”. Selbst der Dümmste hat begriffen, dass ETO soviel wie DAS IST heißt. Das störte aber das Röschen nicht, die quasselte munter den monotonen Stuss weiter. Um mich nicht all zu sehr zu langweilen, “musste” ich aus dem Fenster in den ungepflegten Schulgarten schauen.

Das hat aber unserem “uralten”, mit Kluckenschiss (Dutt) versehenen Fräulein R. nicht gefallen. Erst fragte sie nach meinem Namen, dann antwortete ich “Eto Zottmann”. Da gab es ein paar Lacher und postwendend eine “5” für mich, aber nicht in Betragen, nein wirkungsvoller, gleich als Fachnote. Und das blieb bis Ende 9. Klasse auch meine Durchschnittsnote in Russisch. Meine Russischlust war bereits in der ersten Stunde verflogen!

Als Pädagogin hätte sie mich auch loben können, etwa so: “Schön Zottmann, du hast das erste Wort begriffen …” Doch weit gefehlt. Fortan war sie für mich eine böse, hässliche alte Jungfer. Allerdings war Röschen nicht mal 30 Jahre alt.

Habe sie 45 Jahre später mal wiedergesehen, da sah sie besser aus als in den 60-er Jahren. Lag sicher daran, dass ihr komischer Dutt endlich abgeschnitten war.

Und auch ich bin gütiger geworden … ;)

Im Rechnen wurden wir von unserem Klassenlehrer Herrn Henkel unterrichtet. Ebenso in Deutsch, Geschichte und später noch Staatsbürgerkunde und Sport. Das war ein feiner Lehrer. Den mochte ich, der war ehrlich und aufrecht, wenn man mal die Staatsbürgerkunde-Irrtümer ausnimmt.

Mit ihm durften interessierte Schüler winters immer lange Harzwanderungen per Ski unternehmen. Per Bahn fuhren wir so einmal nach Gernrode, ab dort ging’s etwa 6 km auf Skiern weiter bergan bis zur Viktorshöhe, dann 3 km nach Friedrichsbrunn zum Idiotenhügel am Hotel “Harzblick”. Die Rücktour ging bergab 7 km nach Bad Suderode auf der alten Chaussee “Reißaus”, dann weitere 6 km über Quarmbeck bis in die Süderstadt. Schlafstörungen hatte nach diesen Mammut-Touren wohl keiner …

Ich war immer dabei, wenn er für uns seine freien Sonntage opferte und seine Frau alleine ließ. Toller Lehrer! (wir waren seelenverwandt, denn vor seiner Neulehrer-Umschulung war Kurtchen auch ein gestandener Maurer)

Dampflok (Quelle)

An eine Klassenfahrt erinnere ich mich noch genauestens. Wir fuhren nach Alexisbad und wanderten per Skier nach der Dampfzugfahrt nun bis zur Jugendherberge in Güntersberge. Unsere Truppe zog sich ewig weit auseinander. In Siptenfelde durfte dann Lehrer Henkel die halbe nachtrödelnde Klasse suchen. Die waren versehentlich nach Straßberg abgebogen. Abends waren dann aber alle verlustfrei irgendwie angekommen. Zimmerbelegung! Es gab fast nur 6- und 8-Bettzimmer. Ich aber war ein “Auserwählter”, durfte meine Sachen in ein feines 2-Bett-Zimmer räumen.

Spät nachts dann Gejohle. Das ganze Haus war in eine wilde Kissenschlacht verwickelt. Bis auf einen Jungen, der lag im 2 Bett-Zimmer und verbrachte die Nacht neben dem Lehrer, und der machte partout nicht mit …

Einige Zeit wurde uns neben Werken auch Mathematik durch Herrn B. vermittelt. Er hat eine ganze Weile Kurt Henkels Stelle als Mathelehrer eingenommen. Herr B. war ein ganzer Kerl. Er war leidenschaftlicher Waidmann und hat obendrein in unserer Schule eine Jagdhorn-Bläsertruppe ins Leben gerufen.

So akkurat im Werken die Sägen und Feilen an der Wand hingen, so geradlinig gestaltete er auch seinen Unterricht. Wenn er mit dem Rücken zur Klasse stand, um irgend etwas an die Tafel zu schreiben, ging er dabei mindestens 2 mal pro Unterrichtsstunde leicht in die Knie, um sich gleichzeitig mit der linken Hand den Schritt zu ordnen. Die Rechte hat er nie benutzt, denn da war immer Kreide dran. Und eine Hose mit weißem “Ställchen” hätte ihm sicher nicht gefallen. Das hat mich amüsiert.

Das sind ungewollte Bilder, die habe ich nach fast 50 Jahren immer noch im Kopf.

Apfel

Er hatte eine Gabe, uns ganz simpel und allgemeinverständlich beizubringen, dass selbst durch Multiplizieren Ergebnisse kleiner werden können. Ich meine das Brüche-Multiplizieren. Er zerschnitt dafür liebend gern seine mitgebrachten Äpfel und bewies anschaulich, dass ein Viertel mal ein Halb nur noch ein Achtel war. Die schnellsten Rechenkünstler durften sich dann die Apfelscheiben einverleiben.

Harzkäse

Ansonsten veranschaulichte er alles Mathematische mit x Soldaten und so und soviel Harzkäsen. Irgend etwas war also auch hier wieder militärisch.

Ebenso führte er uns mehr beiläufig in die Mengenlehre ein:

… wenn 3 Mann in einem Raum sind und 5 heraus kommen, müssen 2 hineingehen, damit keiner drinnen ist … Logisch, oder?

Mir tat es sehr leid, dass Herr B. schon sehr früh und jung verstorben ist.

In der 5. Klasse lernte die halbe Klasse beim alten Fräulein von Nathusius alle Handarbeiten. Ich gehörte zum anderen Klassenteil und erlernte das Häkeln bei Frau M. mit den dicken Brüsten. Ihre Blusen hatten oberhalb keine Knöpfe, nur eine einzige Brosche und die hatte viel auszuhalten.

Tolle Kleidung! Die ermöglichte mir aber, dass ich Frau M. nie vergessen werde.

Das wäre auch mal ein empfehlenswerter Schnitt für die Blusen und Jacken unserer amtierenden Frau Bundeskanzlerin Merkel. Schade, dass deren Schneiderin nicht bei Frau M. lernte! ;)

Meine Topflappen waren zum Schluss immer dreieckig. Sie freute sich trotzdem, die nette alte Lehrerin. Ich bekam die Häkel-Wende niemals richtig hin. Ich hätte mir also in der Not auch eine Badehose häkeln können. ;) Wenn das keine gute Ausbildung war, dann weiß ich nicht.

Stricken mussten wir glücklicher Weise nie lernen, wohl aber das Nähen.

Das begann ein Jahr später in der 6. Klasse. Alle Eltern mussten dazu für ihre Kinder derben dunkelblauen, genau vorgegebenen Stoff kaufen.

Bei Zottmanns aber wurde wieder mal zu meinen Lasten gespart. Meine Mutter begriff die Tragweite ihres Handeln gar nicht. Ich brachte dann als Einziger zum Unterricht dünnen hellblau karo-gemusterten Stoff, mit kleinen Blümchen in jedem Quadrat mit, den hatte sie noch irgendwo ausgekramt und für gut befunden.

Jetzt kommt es: Wir mussten in diesem Schuljahr daraus unsere Schürze für den Unterricht in der Produktion, den wir ab 7. Schuljahr hatten, zuschneiden und nähen. Ich wurde nun wiedermal ungewollt der Klassenkasper und erntete dafür ein Jahr später Spott und Hohn im VEB Mertik. Ich fiel schon durch die andere Schürzen-Farbe auf, wurde dadurch zwangsläufig doppelt beäugt, mir ging es jetzt wie meinem Maikäfer …

Türschloß

In der 7. Klasse sägten, feilten und bohrten wir solange herum, bis alle Teile für ein metallenes Zimmertür-Einsteckschloss gefertigt waren. Dieses Werkeln leitete ein früherer Kollege meines Vaters, Herr Hahnebutt. Wir liefen dazu immer in den separaten Werkteil vom VEB Mertik. Der stand an der Stelle, wo sich bis diesen Herbst das Dänische Bettenlager befand, Steinweg, Ecke Kleersstraße. Dort hat man uns wirklich was beigebracht. Die Teile bauten wir dann zu funktionstüchtigen Schlössern zusammen. Alle Schlösser funktionierten zum Ende des Schuljahres.

Sogar die der Mädchen! ;)

Uns wurde dann zum Schuljahresschluss gestattet, gegen 5 Mark Unkostenbeitrag für den Materialwert, unser selbstgefertigtes Schloss käuflich zu erwerben.

Fast alle Mitschüler hatten nun ihr Schloss im Besitz. Nur einer nicht, der hatte dafür eine komische Schürze und keine Motivation mehr, irgend etwas Sinnvolles zu leisten. Ich sah, wie mein Schloss in den Schrott flog, Zottmanns aber haben 5 Mark gespart … Ich konnte dadurch niemandem stolz mein selbstgefertigtes Schloss zeigen, geschweige denn dafür mal ein elterliches Lob einheimsen …

Lehrer Sch. war nun unser Physiklehrer. Hätte er seinen Scheitel auf der anderen Seite getragen und den entsprechenden Bart besessen, wäre er optisch garantiert als Hitlers Zwillingsbruder durchgegangen. Allerdings war der Herr Sch. harmlos. Er war vielleicht ein guter Physiker, wohl aber eine pädagogische Niete. Den haben wir oft veräppelt, der merkte das aber immer erst spät, zu spät.

Wenn er dann keinen Sündenbock fand, fing er im Klassenbuch grundsätzlich hinten an zu blättern, und da stand nur einer als Letzter und der hieß Zottmann.

Und so stand ich schneller vor der Tür als ich dachte.

Ich habe oft den Flur gesehen und auch unseren Direktor K., diesen hässlichen kleinen Knubbel. Der schlich während der Unterrichtsstunden immer durch die Flure, einen klasse Posten bekleidete der Genosse Direktor. Den hätte auch ich damals gerne eingenommen.

Der regte sich mächtig auf, wenn ich vor der Tür stand. Ich aber entgegnete, dass Herr Sch. Schuld sei, denn der hat mich ja dahin gestellt, natürlich zu Unrecht!

Es gab von nun an regelmäßig Ärger, die Seiten im Hausaufgabenbuch für die Mitteilungen an die Eltern reichten bei mir nie. In der 9. Klasse hatte ich dann alle Rekorde gebrochen und am Schuljahresende 56 negative Eintragungen, aber natürlich nicht nur von diesem Lehrer.

Moped SR-2 (Quelle)

Sch. aber war lästig, der kam auch persönlich zu uns nach Hause und jammerte meinem damals nicht gesunden, nur halbtags arbeitenden Vater die Ohren voll.

Nach einigen sinnlosen Besuchen fragte mein lieber Vater in meinem Beisein den Sch., ob er denn morgen wieder käme, wenn ja, dann würde er für ihn mit kochen … Ab da hatte ich Ruhe, aber keineswegs bessere Noten.

Nur einmal noch bat Sch. meinen Vater, zu meinem Nachsitzen mitzukommen, damit er sicher sei, dass ich keinen Blödsinn anstellte. Wir sind also nachmittags zur Schule gelaufen. Dort machte sich mein Vater über ein abgestelltes Moped “SR 2” lustig. Das hatte blaue Schutzbleche, welche freihändig angemalte grün abgesetzte Streifen “zierten”. “Das gehört Sch.!” lautete mein Kommentar.

Im Physik-Kabinett angekommen baute Sch. auf seinen geliebten und selbst gebastelten Klemmbrettern eine Schaltung auf. Er legte alsbald den Stromschalter um und augenblicklich stieg eine stinkende Qualmwolke auf. Ihm war alles verschmort. Ihm standen vor Gram die Tränen in den Augen. Ich sagte nur, dass es gut sei, dass mein Vater zugegen war, denn ansonsten wäre ich Schuld am missglückten Versuch gewesen …

Wort- und fassungslos sah uns Sch. nach, als mein Vater die Nachhilfe für beendet erklärte!

Ernst-Bansi-Schule

Ein ganz anderer Fachlehrer war “Papa” G.. Unser Erdkundelehrer war ein gestandener Mann, unterrichtete hier, fast solange die Schule stand. Also bereits in Hitlers 3. Reich. Meine Schule wurde um 1910, kurz vor unseren Flieger-Wohnhäusern errichtet.

Bei ihm gab es mit keinem Schüler ernsthafte Probleme. Er unterrichtete nur Erdkunde, nichts anderes. Seine Frau verdiente wohl den Löwenanteil, denn sie war keine andere als Käthe B., die Inhaberin des florierendsten Rundfunk-Ladens in der Quedlinburger Marktstraße. Heute beherbergt das Haus das “Hotel am Hoken”. Und dort wurde damals auch repariert. Und Handwerkern ging es anfangs der 60er Jahre noch richtig gut. Anders als dem staatlichen RFT-Laden.

Ihr Mann betrachtete offensichtlich seinen Lehrerberuf als reines Hobby. Der kannte die Erde! Nahm es andererseits auch nicht so genau, als wir alle Rohstoff-Lagerstätten der geliebten Sowjetunion erlernen mussten. Ihm erschien es wesentlich wichtiger, dass wir alle, aber auch jeden Staat Afrikas und Amerikas auswendig benennen konnten. So auch alle Kleinstaaten Mittelamerikas und der Karibik und natürlich Südamerikas, hinunter bis zur Magellan-Straße. Ihn scherte der DDR-Lehrstoff offensichtlich nicht sonderlich. Herr G. begeisterte so ziemlich alle Schüler und erweckte bei vielen auch Fernweh. Bei mir ganz besonders …

Für uns stellte er was dar, wir wussten ja auch: Der ist reich! Nicht nur an Fachwissen. Seinen “Wartburg Camping” hätten wohl alle, so auch die übrige Lehrerschaft, gern besessen. Damit gab er an, wie eine Lore Affen. Was die wenigsten ahnten, er besaß auch noch ein gediegenes Kajütboot, mit dem er motorgetrieben bereits in den 60-er Jahren durch Mecklenburg schipperte. Dort haben mein Vater und ich ihn mal in Mirow im Hafen an der Museumsinsel getroffen.

Brotbüchse

Hatte er mal keine Lust auf Unterricht, fingen wir während der Stunde mit ihm Mäuse. Die gab es hier unter dem Schul-Mansardendach in der 3. Etage reichlich.

Er stellte eine Mausefalle vor ein Loch in der Scheuerleiste. Wir mussten nur vorher unsere Brotbüchsen öffnen, damit er sich geeignete Köder aussuchen konnte.

Und das hat nicht nur einmal geklappt. Die toten Mäuse wurden dann seitlich der Falle geordnet abgelegt. Makaberer Unterricht.

Er unterwies uns auch ständig über den Fortgang des diagonalen Tunnelbaus von seinem Rundfunkladen quer unter der Marktstraße, hinüber zur Stadtsparkasse. Die wollte er als letzten Cup unbedingt noch knacken. War er etwa doch nicht so vermögend?

Einmal überraschten wir ihn in seinem Erdkunde-Kabinett, als er mit unserem “Röschen” flirtete. Da saßen beide eng umschlungen auf der ersten Bankreihe und er erklärte ihr mit der einzigen freien Hand und Zeigestock die Welt.

Über seinen Geschmack habe ich mich allerdings gewundert …

F. W. hieß Vaters HO-Lehrling und ausgerechnet dieser machte später seinen Lehrerabschluss am Institut für Lehrerbildung und wurde auf uns losgelassen. Er unterrichtete nur TZ (technisches Zeichnen). Würmchen, wie wir ihn liebkosten, war ein lieber aber ganz weicher Typ und hatte dadurch schon verloren.

“Alles was sie können, haben sie von meinem Vater gelernt!” war eine meiner bösesten Behauptungen. Einige Wenige, zu denen auch ich gehörte, haben den Mann zum Weinen gebracht.

Wir haben den armen Lehrer sogar mit Luftgewehrkugeln beworfen. Er beugte sich dann schützend mit Händen über den Kopf vor versammelter Klasse und rief: “Aufhören, aufhören oder ich sag’s dem Herrn Direktor!”

Schade, dass ich ihn nie wieder sah, ich würde mich heute zu gern und ehrlichen Herzens bei ihm entschuldigen …

Unser Chemielehrer war Herr G.. Chemie hab ich nie genau begriffen, hat aber immer Spaß gemacht. Dort saßen wir in Sechserreihen und schön gemischt. Später mal, in der 9. Klasse saß ich neben Renate. Wir beiden fummelten etwas unter der Schulbank. Da brüllte Herr G.: “Zottmann, nimm die Hand aus der Frau!” Da sind wohl alle Sinne mit ihm durchgegangen.

Die Klasse johlte, wir beiden hatten sicher rote Köpfe und wussten nicht warum. Ich hätte gar nicht gewusst, wie meine Hand “in” eine Frau gelangen könnte …

Wir hatten lediglich unter dem Tisch an etwas gefummelt, was weiß ich …

Erst hieß es Malen und später, als Herr H. auf uns losgelassen wurde war es dann Kunsterziehung, die uns zuteil wurde. Auch ich habe gerne und viel gemalt, mit Kunst hatte das aber nie etwas zu tun.

... so sieht es Volker (Quelle)
so sehen wir es ... (Quelle)

Seit während dieser “H.-Schuljahre” bei mir eine Rot-Grün-Sehschwäche festgestellt wurde, hatte ich den Freibrief in der Tasche.

Meine Fachnote verbesserte sich schlagartig um mindestens zwei Zähler. H. traute sich nun nicht mehr, meine “Kunstwerke” schlecht zu benoten. Toll.

So malten wir einmal die Mondoberfläche. Dies schamlos ausnutzend, ging mit mir die Phantasie durch. Auf meinem Mond stand ein vertrockneter Baum und eine Art Karnickelkäfig. Als er mich fragte, was das darstellen solle, denn so etwas stehe dort nicht auf der Oberfläche, denn dort wäre alles öd und trostlos, entgegnete ich, dass ja auch er noch nie da oben war und mir das Gegenteil nicht beweisen kann.

Auch dafür gab’s zähneknirschend noch eine mittelmäßige Benotung.

Er selbst bekam aber auch einmal tüchtige Probleme:

Zu den Mai-Feierlichkeiten hatte er wie jedes Jahr überdimensionale Losungen auf Fahnentuch gemalt und wie üblich am Ost-Schulgiebel befestigt. Der gute Mann hatte allerdings, wohl unbeabsichtigt, ein Doppel-S in zackigen Nazi-Runen gemalt. Die Losungen sind schnell wieder abgenommen worden.

Nach Sibirien wurde unser Lehrer aber nicht verschickt … Eigentlich schade! ;)

Losungen 1. Mai

Etwa 2 Wochen vor jedem 1. Mai wurden durch das Zentralorgan der SED, die Tageszeitung “Neues Deutschland” die offiziellen Mai-Losungen bekanntgegeben. Das waren zwischen 50 und 60 Parolen. Nur diese durften zu den Mai-Umzügen verwendet werden. Das war Gesetz! Eigene Sprüche waren tabu, bei Strafe verboten. Das wagte sich gar Niemand.

Von Intelligenz durchströmt waren diese Losungen aber nicht immer. So lautete eine von Ulbricht erfundene: “Überholen ohne einzuholen”. Gemeint war, dass wir am Westen wirtschaftlich vorbeiziehen. Rein physikalisch der größte Schwachsinn …

Eine weitere Losung erfreute das Landvolk: “Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein”…

Zum 1. Mai, wenn grundsätzlich immer alle Schulen und Betriebe an der SED-Tribüne am Rathaus vorbeimarschieren mussten (in der ganzen DDR), sah man dann viele solcher geistigen Ergüsse, im Zentralkomitee der SED erdacht!

In der späteren Schulzeit wurde eine burschikose Sport- und Biologielehrerin mit phonetisch passendem Namen auf uns los gelassen. Frau B.. Sie war sehr streng, doch gerecht. Auch darum hatte sie nie Probleme mit solchen Störenfrieden wie mir.

Die gute Frau hatte in der 8. Klasse uns die menschliche Fortpflanzung nahe zubringen. Sie hatte dabei keinerlei Probleme die Dinge beim Namen zu nennen. Als in den hinteren Reihen Gekicher aufkam, wusste sie sich sofort zu helfen. Sie rief den am dollsten Kichernden, unseren Y zu sich vor. Sie stellte nun ihren Lehrerstuhl auf ihren Tisch und befahl Y obenauf Platz zu nehmen. Wir lachten uns kaputt, wie der kleinste Schüler nun versuchte auf den Tisch zu krabbeln. Es klappte nicht.

Da schnappte sie ihn unvermittelt und Y wurde mit ausgestreckten Armen auf den Stuhl gehieft. Da saß er nun in Richtung Klasse gewandt, in seinen Seppelhosen, so weit, dass man fast bis zu seinem kleinen Wurmfortsatz schauen konnte.

“Y, du erklärst uns jetzt den Aufbau des männlichen Gliedes!” Wieder wurde gelacht.

Dem armen Y aber stieg die Schamesröte ins Gesicht, er war nicht mehr im Stande, auch nur ein klares Wort hervorzubringen. Frau B. meinte nun: “Da lachst du erst dumm rum und nun weißt du nicht mal, dass dein Ding nicht nur zum Pullern ist.”

Die Klasse grölte! Und Y hatte einen Aufsatz über das männliche Glied zu verfassen, als Strafarbeit …

Herr S., wurde in der 9. Klasse unser Klassenlehrer. Und nach der Wende, Anfang der 1990-er Jahre, unter der “SPD-Regierung Höppner” sogar Staatssekretär in Sachsen-Anhalt. Wenn das keine Karriere ist.

Der “Klammeraffe” wie wir ihn nannten, bekam den Namen, weil er stets mit seinem Fahrrad unterwegs war. Das hatte statt eines normalen Lenkers nur 2 recht tief angebrachte Griffe, dafür seinen Sattel besonders hoch. Wenn sein gesamter “Lenker” 25 cm breit war, war es viel. Er sah darauf jedenfalls putzig aus. Nein, albern!

Die ersten Stunden kam er immer mit einem Schuhkarton voller Karteiblätter zum Matheunterricht. Er trug dort unsere Zensuren und Betragens-Noten ein. Lange währte aber dieser Zinnober nicht. Irgendwann war sein Karton verschwunden …

Er hat ihn nie wieder gefunden. Er hätte mal auf den großen Braunkohlenberg an der Schulwand nachsehen sollen. Darauf ist der ganze “Müll” nämlich irgendwann aus dem 2. Stock gefallen. Wer das wohl war? Nicht mal ich weiß es …

Ernteeinsatz (Quelle)

Während unserer gesamten Oberstufen-Schulzeit, also ab 5. Klasse, wurden wir oft zu Ernteeinsätzen bestellt. Manchmal als Pflichtveranstaltung klassenweise und sehr oft auf absolut freiwilliger Basis. Das ging dann nachmittags auf dem Schulhof los. Wir wurden von der LPG (Landwirtschaftliche Produktions-Genossenschaft) oder vom Staatsgut mit einem Traktor und Anhänger zum Acker gefahren. Meist Richtung Münchenhof. Hier waren oft endlos lange Reihen von Zuckerrüben zu verziehen. Wenn nach etwa 3 Stunden alles fertig war, ging es wieder heimwärts, meist mit 2,50 Mark in der Tasche.

Am meisten konnten wir aber bei der Kartoffelernte verdienen. Fast immer gab es 10 Pfennige pro Korb. Da war eine Mark schneller verdient als mit dem drögen Rüben hacken.

Kartoffelkäfer (Quelle)

Oder wir sammelten die Kartoffelkäfer von den Pflanzen ab. Dazu wurde uns immer erzählt, dass die Käfer von westlichen Agenten über den Feldern ausgestreut wurden, um Ernten zu vernichten, und um den friedlichen Aufbau des Sozialismus zu stören.

Tatsächlich flogen aber mittels Ballons in den 50-er Jahren abertausende Flugblätter aus dem Westen in den Osten und “regneten” auch in der Quedlinburger Feldflur ab. So “durfte” auch ich einige Male im Grüntal nahe des Bornholzweges die Druckschriften aufsammeln. Lesen war uns aber streng verboten.

Münze 5 Pfennig
Münze 10 Pf

Mit dem verdienten Taschengeld konnte auch ich mir hin und wieder einen Besuch in Arnolds Eisdiele unterhalb des Münzenberges leisten. Anfangs kosteten die Eiskugeln nur 5 Pfennige, später dann immer einen Groschen (10 Pf).

Die Bedienung war zu mir einmal sehr unhöflich: Ich bin extra von der Süderstadt dorthin geradelt. Habe dort 10 Kugeln verlangt, für 50 Pfennige. Die haben geschmeckt. “Gleich nochmal das Selbe bitte!” Und nochmal verleibte ich mir 10 Kugeln ein. Bevor ich ein 3. Mal bestellen konnte, wurde ich jedoch hinaus komplimentiert. Die hatten kein Interesse am Umsatz, kein Interesse an der sozialistischen Planerfüllung …

Das konnte ich damals nicht verstehen …

Münze 2 Mark
Münze 20 Pfennig

Wenn wir Kinder mal auf den Kleers zum Rummel wollten, gab es jeweils allerhöchstens 2.- Mark von unseren Eltern. Die mussten dann in der einen Rummelwoche reichen. Eine Karussell-Fahrt kostete 20 Pfennige. Ich ging dann aber möglichst zum verbilligten Mittwoch auf den Kleers, da kosteten alle Attraktionen nur die Hälfte. Also doppeltes Vergnügen fürs gleich Geld.

So lernte ich rechnen …