HMBQ-Häuser (Quelle)

Aufgrund von fehlenden Arbeitsaufgaben wurde unter Anderen auch ich als Statist einmal nach Quedlinburg zu einem Meeting beordert. Das war 1984. Unterhalb des Theaters wurde das ganze Wohngeviert “Schmale Straße” in der HMBQ-Bauweise neu errichtet. Es war eine Grundsteinlegung mit politischem Theater!

HMBQ hieß Hallesche Monolith Bauweise / Quedlinburg. Es wurden Wohnhäuser in Ortbeton gegossen, in einfachster primitiver Weise, dem alten Fachwerk-Grundrissen nachempfunden, oft in ihren Oberflächen genauso krumm wie ihre Vorgänger. In dieser Zeit gab es offenbar keine Richtscheite und Wasserwaagen. Es entstanden armselige hellhörige, allerdings stabile Ersatzbauten. Man kann sie heute noch bestaunen …

Bauminister Wolfgang Junker, aus Weddersleben stammend, war auch vor Ort.

6 Jahre später hat er, gerade 60-jährig, im Januar und Februar 1990 wegen Amtsmissbrauch in U-Haft gesessen und den Ermittlungen gegen die alte Regierung Stoph vorgreifend, am 9. April den Freitod gewählt. (Er war bis 1949 Maurer in Quedlinburg, studierte alsbald, wurde Bauleiter auf der legendären Stalinallee-Baustelle in Berlin und diente sich bereits mit 34 Jahren im Jahr 1963 im Zentralkomitee bis zum Minister für Bauwesen der DDR empor und verblieb dort in dieser Stellung auf Lebenszeit, bis zum Rücktritt der Regierung Stoph 1989.)

Das Wohngebiet Rosengarten, nahe der Post und in gleicher Bauweise errichtet, war schon geraume Zeit bezugsfertig. Dort gab es zuvor seitens der Bauarbeiter harsche Kritik. Denn nur in der Wohnung des Vorsitzendenden des Rates des Kreises Quedlinburg wurden Fliesen verlegt und ein zusätzlicher Heizkörper installiert. Hochwohlgeboren sollte ja nicht frieren! Der hat sich dafür kein bisschen geschämt, der “teure” Genosse!

Obwohl in der DDR alle gleich waren, waren manche noch gleicher …

Volker´83

Schlagartig wurden 1983 vom Bezirkswirtschaftsrat alle Investitionen für immer eingefroren. Und Tauwetter gab es in der DDR-Wirtschaft nie wieder. So erloschen in Wochenfrist auch die Bauvorhaben im VEB Plastopack. Heute weiß ein jeder, dass der Staat damals schon absolut bankrott war. Arbeitslos, so wie heute, konnte in der DDR laut Verfassung jedoch niemand werden. So bekam dann auch ich mein Gehalt weiter gezahlt, hatte aber tagtäglich höchstens noch 30 Minuten zu “arbeiten”. (außer es fand mal ein Meeting statt)

Doch immer nur Kaffee trinken, auch wenn ihn Susanne kocht, macht auch bald keinen Spaß mehr! Die mir fehlenden Aufgaben nahm mein neuer Technischer Direktor zum Anlass, mich schnell ins Büro der Betriebsschlosserei abzuschieben. Der brauchte meinen Schreibtisch. Denn obwohl es nun keine Arbeit mehr gab, wurde mit ein weiterer Kollege in der Invest-Abteilung eingestellt. Abstrusistan ließ grüßen.

Und so suchte ich emsig, ja fieberhaft, nach einer neuen Beschäftigung, möglichst ohne einen neuen Vorgesetzten. Denn die letzten 2 Jahre unterstand ich besagtem neuen Technischen Direktor, meinem subjektiven Empfinden nach einer fachlichen Niete, der aber kreuzgefährlich sein konnte. Er wurde zuvor aus Halle weggelobt und nun hier als Produktionsdirektor ein- und bald wieder abgesetzt.

Nun aber hatten wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Der Genosse war fachlich nicht immer auf der Höhe und hatte dennoch Entscheidungsgewalt!

So wurde über Jahre vergeblich versucht eine Wärmepumpenanlage unter seiner Rigide zu installieren. Das kostete allein Hunderttausende Ostmark. Verpulvert, verplempert! Denn wirtschaftlich gelaufen ist die nie!

Man scheute sich auch nicht, als die im Betrieb eingesetzten “Roboter” gelistet wurden, die einarmige Schrankenanlage des Pförtners mitzuzählen, um auch sie als heroische Heldentat nach Halle und Berlin zu melden …

Nebenbei erbaute er mit seiner Frau ein Einfamilienhaus. Dieser SED-Mann klaute unverfroren LKW-weise Kies im Betriebsgelände und ließ den per Anweisung auf seine private Hausbaustelle transportieren. Seinen gesamten Baugrubenaushub kippte er dafür ungenehmigt gratis auf Betriebsacker ab. Rotzfrech, denn er hatte ja Befehlsgewalt! Bei kritischen Nachfragen der Kollegen, behauptete er zu seinem Schutz, es sei “alles mit Zottmann abgesprochen”.

Dagegen habe ich mich mehrmals lauthals verwahrt. Und zog den Kürzeren!

Als die Betriebs-Baubrigade am Wochenende in Sonderschichten, denn zu anderen Zeiten wurden wir nicht beliefert, eine Fertigbetonplatte für Polystyrol-Granulat-Silos goss, zweigte der Genosse Technischer Direktor “heimlich” mehrere LKW-Ladungen auf seine private Hausbaustelle um. Wir merkten nur, dass die Wartezeiten zwischen den einzelnen, bei uns ankommenden Fuhren aus Ballenstedt immer größer wurden. Eine Bezahlung des Betons war seinerseits allerdings nicht vorgesehen. Doch machte er da die Rechnung ohne Investleiter, ohne Meister Volker Zottmann und ohne den Prokuristen! Der hat ganz schön blöd geguckt, als ihm die unangekündigten Rechnungen ins Postfach flatterten.

Ohne mein Wissen zog er später einmal alle Maurer ab und ließ bei sich zu Hause ein Gerüst aufstellen. Als “Bezahlung” verabreichte er während der regulären Arbeitszeit reichlich Alkohol. Das ergab einen mächtigen Wirbel, denn ein Kollege war so betrunken, dass ich ihn nach Kenntnisnahme umgehend zu sich nach Hause fuhr. Doch alles wurde wieder unter den Teppich gekehrt. Selbst der Arbeitsschutzinspektor erhielt die Anweisung, die Klappe zu halten, und tat es …

Dennoch regierte er in seinem Reich arrogant und selbstgefällig weiter. Auf den Mann reagiere ich noch heute allergisch. Dank meiner Kündigung sind glücklicher Weise meine bisweilen cholerischen Ausbrüche verschwunden! Mich machte krank, dass man in der DDR gegen solche Ganoven absolut machtlos war.

Der schiss dann obendrein seine Unterstellten wahllos an.

Auch unser Betriebsdirektor konnte sich dieses Menschen nicht erwehren. Der hatte hohe Rückendeckung, wohl nicht nur im Bezirkswirtschaftsrat …

Da es aber in der DDR wohl kaum einen Bau-Beschäftigten gab, der nicht selbst mal irgendwann auch Volkseigentum mit nach Hause nahm (natürlich nur aufgrund des Ulbricht-Zitates: “Aus unseren Betrieben ist noch viel mehr herauszuholen” ;)) konnten auch wir uns nicht all zu weit aus dem Fenster lehnen. Schade, denn dadurch mussten wir unsere Idee begraben, dem Technischen an sein fertig gestelltes Haus das Plastopack-Logo heimlich anzusprühen.

Böhme, H-J (Quelle)

1984, etwa zeitgleich mit dem Erlöschen jedweder Investitionen in der DDR schickte sich der SED-Bezirkssekretär des Bezirkes Halle, der Genosse Hans-Joachim Böhme an, seinem bezirksgeführten VEB Plastopack Harzgerode einen Besuch abzustatten. Solch ein kleingeistiger Landesfürst fuhr aber nicht einfach los! Nein, es bedurfte gewaltiger Vorbereitungen. Eine ganze Maschinerie wurde zuvor in Gang gesetzt.

Wenn meine Betriebshandwerker ihr Baugerüst bestiegen, hüpften sie gegen jeden Arbeitsschutz verstoßend, von Brett zu Brett, denn es fehlten jede Menge Rüstbohlen. Ersatz zu bekommen war unmöglich. Es mangelte an Allem!

Da bei Plastopack gerade die gesamte Betriebseinfahrt erneuert wurde, lag dort im Eingangsbereich in ganzer Breite nur loser Schotter.

Dieser Zustand war seiner Majestät aber nicht zuzumuten! So wurde durch eine Sonderfreigabe der SED-Kreisleitung verfügt, Holzbohlen feinster Güte für den Bau eines Gehweges vom Pförtner bis zum Verwaltungsgebäude heran zu schaffen und zu verbauen. Meine Handwerker hätten sich aber zuvor ruhig zu Tode stürzen können, das wäre in Ordnung gewesen!

Ich bekam von meinem Technischen Direktor die Anweisung, dass alle verfügbaren Handwerker ab sofort mit dem besagten Gehwegbau beginnen. Ich wiederum schlug dem “Technischen” vor, da Böhme ohnehin am Werktor aussteigen musste, ihn doch die gepflasterte seitliche Werkstraße zum rückwärtigen Eingang der Verwaltung laufen zu lassen. (etwa gleiche Weglänge) So würde sich doch der ganze immense Aufwand ersparen …

Doch meine Logik passte nicht ins große weltpolitische Bild der kleinkarierten Genossen! Die schissen sich buchstäblich in die Hosen, wenn solch ein Mann, der im Übrigen auch nur nackt geboren wurde, anreiste. Das war absoluter Untertanengeist.

Es wurden seinetwegen mehrere Raummeter gespundete Rüstbohlen angeliefert und unsere Maurer und Zimmerleute vernagelten alle Bretter untereinander, damit “Hochwohlgeboren” Böhme sich auch ja keinen Fuß verknackst.

Am Tag seiner Stippvisite traute ich meinen Augen nicht: Der Bezirkssekretär fuhr doch tatsächlich mit einem “Peugeot” vor. Dem waren da die Ostblock-Kutschen auch schon nicht mehr fein genug. Hielt sich offenbar an Honecker, der ja auch nur noch “Citroen” fuhr.

Allerdings passte das ins Gesamtbild. Die DDR schaute mit “Secam” französisch Farbe und die Elite ließ sich in französischen Traumwagen kutschieren. Letztendlich war der Sonnenkönig Ludwig XIV. ja auch ein Franzose!

Nur ich hatte noch immer nicht ganz wahr haben wollen, dass die “Elite” wirklich eine klassenlose Gesellschaft anstrebte, nur eben sie selbst darüber und weit abgehoben …