Als ich im Spätherbst 1971 nach meinem Armeedienst wieder in meine Brigade zurückkam, dauerte es nur ein paar Tage und ich erlebte das schlimmste Déjà-vu meines Lebens.

Gerade war meine “Haftzeit im NVA-Arbeitslager” verstrichen, wurden große Teile der Beschäftigten des Wohnungsbaukombinates nach Bad Frankenhausen in ein NVA-Objekt verlegt. Die DDR rüstete dermaßen auf, dass sogar zivile Betriebe statt Wohnungen nun monatelang Kasernen bauten.

Wir wurden in Wohnblöcke, umfunktioniert zu Wohnheimen gesteckt und leisteten unsere Arbeit sozusagen unfreiwillig auf Montage. Waren also nur noch 2 Tage pro Woche zu Hause. Doch mit Beginn meiner Meisterausbildung war auch diese Schikane für mich überwunden.

Ab etwa März 1972 waren die Begleitumstände unserer Arbeitstage wieder erträglich und zivil geprägt. Ab 1976 erst baute das Wohnungsbaukombinat dann in Dietersdorf Atomraketen-Silos. Wegen der strengen Geheimhaltung wurden hier bestehende Arbeitskollektive auseinander gerissen. Handverlesen wurden die Kollegen in “A”, “B” oder “C” unterschieden. Neu gruppiert! So etwas nennt man Selektion!

Die veranstaltete, bei geheimen Durchleuchtungen, die Staatssicherheit ohne das Wissen der Beteiligten!

Nur die mit “C” Bezeichneten hatten zum geheimsten Abschnitt Zutritt und als “Dankeschön” pro Kollegen einen scharf bewaffneten Soldaten im Genick. Es gab seit dem, so mein Empfinden, nie mehr angenehme Arbeitsumstände. Befindlichkeiten der Arbeiter spielten wenn überhaupt, dann nur eine untergeordnete Rolle.

Mit meinem NVA-Leidensgenossen, Udo W., auch ein Maurer im WBK Quedlinburg verbrachte ich meine Wehrzeit. Mit Udo ging es mir wie mit Gerd. Meine Mutter wurde letztmalig, nach meiner Militärzeit mit Udo rückfällig und hielt mich wieder einmal an, keinen Kontakt zu pflegen. Denn Udos Vater ging mit ihr früher zur Schule, so ihre Begründung, und wäre nicht der Hellste gewesen. Und mein Udo war gar Hilfsschüler! Ich solle mich doch gefälligst nur mit intelligenteren Freunden, als ich es selbst bin, abgeben.

Ihr Ansinnen hatte aber einen ganz gewaltigen Denkfehler: Wenn jeder nur noch mit vermeintlich Intelligenteren eine Freundschaft eingehen wollte, gäbe es überhaupt keine Freundschaften. Denn für den Schlaueren wäre ja ich wiederum zu primitiv gewesen, oder?

Ein Philosoph würde diese Logik sicher unter Schwachsinn einordnen …

Jawohl, Udo ging in die Pestalozzischule (Lernbehindertenschule oder Hilfsschule, wie es damals noch hieß). Ja, er hatte Lernprobleme. Er tat sich aber allenfalls bei einzelnen Lehrstoffen etwas schwerer. Es hinderte ihn aber nicht daran, seinen Wunschberuf zu erlernen und er war, was wohl wichtiger ist, ein perfekter Facharbeiter und stets ein verlässlicher Kamerad und Freund.

Das war aber auch das letzte Mal, dass meine Mutter diesbezügliche Einwände äußerte. Ich habe mir diese erneute Taktlosigkeit verbeten, denn Udo war andererseits ja auch gut genug, für Ihre Partei und ihren gepriesenen Staat zum Militär zu gehen …

Auch ich war wohl alt genug, meine Freunde selbst zu bestimmen!

Volker mit Schippe

Mit Udo habe ich nach unserem gemeinsamen Wehrdienst etwa ab März 1972 noch einige lukrative Feierabend-Baustellen abgearbeitet. Ich denke hier an eine komplette Wohnhaus-Aufstockung in Westerhausen bei Familie K., die wir zu zweit auf uns nahmen. Hier wurde das komplette Ziegeldach von Zimmerleuten abgenommen und gleich darauf setzte Unwetter mit Starkregen ein. Alle Lehmdecken des Wohnhauses weichten auf, quollen und teilweise fiel dann der Putz von den Decken der Parterre noch bewohnten Räume. “Wir gehen unter!” rief nun K. ununterbrochen und überließ das Wasserschöpfen regungslos seiner Frau und den drei Kindern. Heute lachen wir darüber, damals weniger …

MZ-ES-175-Trophy (Quelle)

Der Lohn für diese Plackerei war mein gebraucht gekauftes Motorrad “ES MZ 175”. Ab nun war ich doppelt so schnell unterwegs wie zuvor mit dem “Star”.

Ebenso werkelten wir später an einem Bungalowbau in Neinstedt oder an einer Hausbaustelle in Friedrichsbrunn, wo wir Hans Sch’s (Vaters Kollege) neues Haus mitgestalteten. Diese Baustelle war besonders anstrengend, hatten wir doch immer abends noch die Friedrichsbrunner Damenwelt zu beglücken …

Das war eine schöne Zeit mit Udo und den Frauen …

In der gesamten Zeit mit Udo brauchte ich die “Weibchen” nie nach ihrem Namen fragen. Die ich “abbekam”, hießen immer Elke, wirklich wahr, aber komisch! Selbst beim Militär war das so.

Erst mit Reimonde hat diese “Serie” ihr abruptes Ende gefunden …

Udo starb bereits 1986 an Leukämie und wurde am gleichen Tag wie meine Oma beerdigt.