Rätz-Steg

Über all die DDR-Jahre bin ich erst mit meinen Eltern, dann mit meiner Reimonde und etwas später mit unserer kleinen Familie an den Rätzsee zelten gefahren. Überschüssiges Geld wurde oft nur für unseren Jahresurlaub “angehäufelt”.

In unseren Anfangsjahren leisteten wir uns ab 1976 ein 4-Mann-Steilwandzelt “Müggelsee II”. Darauf sparten wir etliche Monate. Für ein ordentliches Zelt konnten schon mal 1.200 bis 2.000.- Mark fällig werden.

Während unseres Urlaubs hatten meine Eltern Gelegenheit ihre Enkel etwas länger zu Gesicht zu bekommen. Sie zelteten ja als Dauercamper jedes freie Wochenende dort. Es war ja auch bloß ein Katzensprung von Neubrandenburg bis zum Zeltplatz.

Zelt Müggelsee

Etwa 1986 bekam ich aus Neubrandenburg von meiner früheren Zeltfreundin Christel, die nun auch dort wohnte, einen Anruf. Sie hatte in Erfahrung gebracht, dass beim IFA-Vertrieb Neubrandenburg etliche Campinganhänger Typ “Klappfix CT6-2W” gestrandet sind. Die waren zum Export nach Schweden gegangen und wegen erheblicher Mängel zurückgewiesen worden. Wie auch immer … Die gab es jetzt frei zu kaufen! Eine Sensation! Sonst wartete man darauf etwa mit registrierter Anmeldung 6 Jahre.

Ich habe gleich unbesehen einen reservieren lassen. An einem der nächsten Tage haben wir dann den regulären, auch sonst üblichen Kaufpreis von 7.200.- Mark bezahlt und einen Anhänger zugeteilt bekommen. “Der ist mängelbehaftet, die Mängel jedoch können nicht mehr reklamiert werden, dafür brauchten sie nicht Jahre warten!” So etwa lautete vom dortigen Verkäufer noch eine letzte Ansage. Eine versteckte Drohung, nicht zu reklamieren. Egal!

Überglücklich fuhren wir nach Hause. Den Hänger im Schlepp!

Beim ersten Aufbau sahen wir Etliches, was nicht so war, wie es eigentlich hätte sein sollen: Das Dachgestänge stand nicht korrekt lotrecht. Die Wertfach-Blechklappe war schief angenietet, das Fach ließ sich dadurch anfangs nur 10 cm weit öffnen. So hätte ich mein Vermögen nie verstauen können. Es klemmten Scharniere und und und …

Camptourist

Der Grund der Rückweisung durch die Schweden war aber offensichtlich der Holzklarlack auf dem Tisch und den Sitzbänken. Der war noch immer weich und klebrig und wäre es wohl heute noch. Gut nur, dass kein einziger Schwede Sitzprobe machte. Den hätten wir sonst adoptieren müssen.

Wir haben dann alles abgezogen, angeschliffen, neu und fachgerecht lackiert.

Als letztes schrieb ich trotz vernommener Belehrung einen beschämenden sozialistischen Brief an den Hersteller. Nach Auflistung von 7 Haupt-Mängeln machte ich meine Aufwandsrechnung auf und wurde unerwarteter Weise umgehend belohnt.

Mit “Genossen Zottmann” wollten die auch keine längeren Diskussionen, darum wurden postwendend über 700.- Mark Nachlass angewiesen. Das war doch mal was!

Mit dem Klappfix zelteten wir nun abgehoben, aber nur vom Waldboden. Konnten so nie mehr einen Wasserschaden erleiden.

Als Einheit mit Doppelschlafplatz, Küchenzeile und Aufenthaltsraum waren reichlich 16 m² überdacht. (im 4. Nachwendejahr nutzte er dann allerdings nur noch als Minianzahlung für einen richtigen “Bürstner”-Wohnwagen.)

In all seinen Zeltplatz-Jahren durfte man niemals vergessen, im Herbst bei der “Zentralen Zeltplatz-Vermittlung Waren/Müritz” einen Saisonplatz zu beantragen.

Nur mit einer Genehmigung von dort, durfte man im Hochsommer seinen Wunschplatz ansteuern. Den Schein bekam man aber nicht jedes Mal.

Und nun wieder die DDR-Logik: Man hatte jetzt eventuell für ein ganz kleines 3-Wochen-Zeitfenster eine Zelt-Genehmigung. Die Betriebs-Urlaubspläne wurden aber DDR-weit erst ab Januar gefertigt! Grundsätzlich! Es konnte also passieren, das man im gewünschten Zeitrahmen keinen Urlaub erhielt. Dann war die erteilte Camping-Genehmigung hinfällig. Abstrus!

Der Zeltplatz C26 hatte über die Jahre hinweg so einige Verwalter gesehen. In den 1980-er Jahren oblag die Zeltplatzleitung einer Frau X. Ihr Ehemann, ein frühpensionierter hoher NVA-Offizier, mischte immer munter mit. Das war ein widerliches Ehepaar, welches auch wir notgedrungen mindestens 2 Sommer ohne ausgestellte Aufenthaltsgenehmigung bestechen mussten.

Wir fuhren den Zeltplatz auch ohne jede Genehmigung einfach an. Platz war ja immer vorhanden, das wussten wir, denn irgend jemand konnte seinen Urlaub garantiert nicht antreten. Mit Geldscheinen schien dann alles lösbar. Sie sollten nur nicht zu klein sein!

Mann, waren die korrupt. Da tut mir heute noch jeder Schein leid, den die von uns bekamen …

Von Berlinern ließen sich X’s für selbst ausgestellte Genehmigungen, wegen der dortigen besseren Versorgungslage, wöchentlich frisches Obst schenken …

Man hätte die ertränken müssen!

Rätz Wiese

Normale Camper wie wir, also die Provinzler, bereiteten ihren Urlaub akribisch vor. Da wurden schon Wochen vorher Gulasch und Rouladen in Gläser eingekocht und alle notwendigen Lebensmittel “gehamstert”, denn auf die Versorgung in Mirow allein konnte man sich nie verlassen, wenn man nicht verlassen sein wollte …

Zusätzlich wurde auf dem Platz zur “Sicherheit” noch ab den 80-er Jahren ein Zeltplatz-Rat installiert. Allerdings nicht zur besseren Versorgung der Urlauber, nein, mehr zu deren Überwachung. Das waren “zuverlässige” Dauerzeltler. Meist SED-Genossen. So auch Larry, ein altgedienter Volkspolizist und notgeiler Spanner. Der ist in den Anfangsjahren auch schon mal nackt, nur mit Mütze und Koppel und Pistolenhalfter rumgelaufen. Balla, balla … Der war dumm, aber eigentlich doch harmlos.

Wir kannten ja alle Zeltplatz-Räte. Für uns enthusiastischen Camper waren das jedoch nur die “Zeltplatz-Ratten”.Trotz der ganzen überzogenen staatlichen Kontroll-Struktur veranstalteten diese Idioten dann abends zusätzlich noch diverse Zeltscheinkontrollen, schikanierten mit ihrem Geltungsdrang die Erholungssuchenden.

So kam Larry zwei Tage hintereinander zu uns gelaufen und forderte unsere Zeltgenehmigung zwecks Kontrolle. Beim zweiten Mal weigerten wir uns und schimpften. Da meinte Larry, er käme doch nur so zur Tarnung zu uns, denn in Wirklichkeit wolle er nebenan ein Arzt-Ehepaar, welches einen Ausreiseantrag gestellt hatte, kontrollieren. Woher wusste der das? Perfide, selbst im Urlaub umgab uns das Geflecht der allgegenwärtigen Staatssicherheit.

In den 80-er Jahren merkte man aber auch, das diese Wichtigtuer immer weniger von den Campern beachtet und für voll genommen wurden. Es machte sich immer direkter und hin und wieder auch lautstark Unmut breit. Durch ihr Verhalten beförderten sie direkt den wachsenden Widerstand, ohne es selbst zu begreifen …