12 Jahre später dämmerte es solchen Politverbrechern wie Günter Mittag, seines Zeichens Wirtschaftsminister über Jahrzehnte in der DDR, dass ohne das Handwerk nichts funktioniert. Nun wurden wieder einzelne Handwerksmeister und Handwerker mit bürokratischsten Bürden offiziell zugelassen. “Großzügig” sagte dazu der offizielle amtliche Sprachgebrauch …
Auch ich stellte noch 1984 nach Abwägung aller Risiken und Zweifel meinen Antrag auf Selbständigkeit. Eine unserer besten Lebens-Entscheidungen.
Karl L. war mir stets ein väterlicher Freund und unterstützte nun mit sichtlicher Freude meinen Entschluss, befürwortete mein Vorhaben und ich erhielt nach 5 Monaten meinen Gewerbeschein, noch 1984 von den Behörden. Ich aber war intelligent genug, noch bei Plastopack zu “überwintern”.
Erst sollte ich warten, nun waren die an der Reihe!
Meine Selbständigkeit war mit erwarteten Auflagen verbunden:
Ich musste meine Firma “Baureparaturen” nennen, das war so vorgegeben, und sollte ab 1. März 1985 nur noch Schornsteinköpfe erneuern, nichts anderes.
Bekam aber nur Schornstein-Ziegelsteine für etwa 2 Wochen, welche dann aber möglichst 1 Jahr reichen sollten.
Man erwartete also vom neu erschaffenen privaten Handwerk Wunder.
Monatlich musste ich die statistischen Zahlen unserem SED-Bürgermeister melden, damit der dem Bezirk, und die Bezirksleitung wiederum bis Berlin vermelden konnte, wie viele Schornsteine nun wieder in und um Harzgerode Dank Zottmann hergerichtet sind …
Mit solchem Quatsch beweihräucherten sich die Oberen. Hatten sonst nichts Wichtigeres zu tun!
Der Morgen des 14.10.1986 bereitete mir großes Unbehagen. Ich wurde wieder einmal zum Wehrkreiskommando in die Halberstädter Straße in Quedlinburg bestellt. Mir wurde mein Wehrpass abgenommen und dann ging es mit einigen gleichfalls bestellten Reservisten in den Keller. Eine Unterweisung stand uns bevor …
Wir alle wurden instruiert, dass wir ab sofort strengster Geheimhaltung und der Reservegruppe “B” unterstehen. Dazu gab es eine Klappkarte, die nun auch noch dem Wehrpass beizulegen sei. Das bedeutete, dass bei Mobilmachungs-Durchsagenmittels Radio oder Fernsehen “unser” Buchstabe B ausgerufen werden könnte. Dann hätten wir alles stehen und liegen zu lassen und innerhalb von 2 Stunden an einer Scheune in Badeborn zu erscheinen. Natürlich mit Ziel “unbekannt”, aber mit warmer Unterwäsche und Rasierzeug.
Von nun an gehörte ich, warum auch immer zu einer “schnellen Eingreiftruppe”. Ein fürchterlicher Gedanke … Ständig das Unbehagen im Hinterkopf, jederzeit weggefangen werden zu können.
Am 15.09.1987 wurde ich unter diesem “B” wieder in die Dienststelle beordert.
Alle Mann in den Keller! Doch zu meiner großen Verwunderung und ohne jede Begründung hatte ich die “B-Karte” wieder abzugeben. Sie wurde im Pass wieder ausgetragen. Dann ein kurzes Stillgestanden. Wir wurden vergattert, die Geheimhaltung unter Androhung von Gefängnisstrafe zu befolgen. Der letzte Satz klingt mir noch im Ohr: “Das hier alles hat nie stattgefunden! Wegtreten!”
Dieses Ereignis war die allerletzte Belästigung der Militärs Betreff meiner Person.
Im gleichen Jahr wurde das Ferienheim des VEB Deutfracht in Harzgerode von Grund auf innen überholt. Das Ferienheim der Seerederei gab mir fast 2 Monate Betätigung. Bei meinen Maurerarbeiten war ich lange genug in diesem Haus, um einen kleinen Einblick in die Strukturen dieses Betriebes zu erhalten. Dessen Leiter wurde schon lange nachgesagt, Mitarbeiter der Staatssicherheit zu sein. Ob es wirklich an dem war, kann nur er beantworten.
Zu all meinen Arbeiten wurden mir von diesem Mann Mitarbeiter zur Seite gestellt, um Handlanger-Dienste zu verrichten. So kam ich mit allen Beschäftigten ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass allesamt Matrosen der Handelsmarine waren. Die verbrachten aber in Harzgerode keineswegs Urlaubstage, nein!
Die wurden in Rostock eingeschworen, sich in Harzgerode zu bewähren. Ihnen wurden die Seefahrtsbücher wegen kleinster “Vergehen” abgenommen, was einem Berufsverbot gleich kam. Das konnte die Verstrickung in einen Verkehrsunfall auslösen, ebenso aber auch, weil ein Verwandter einen Ausreiseantrag stellte. Oder weil ein Wort unbedacht ausgesprochen wurde, welches nicht politisch genehm erschien.
Diese Seemänner arbeiteten dann hier in Harzgerode, für wesentlich geringeren Lohn, ohne je verurteilt gewesen zu sein. Sie hatten sich zu bewähren.
Der Objektleiter hatte in Personalunion nach seinem Ermessen zu entscheiden, wann denn die “Genossen Matrosen” wieder würdig sind, zur See zu fahren. Das erschien auch mir vorerst unglaublich.
Doch nachdem einige Handlanger zu mir Vertrauen fassten, waren die Gespräche auch so intensiv, dass man deren Wahrheitsgehalt erkannte. Er sprach seine Seeleute nur mit Genosse an, und ließ immer ihre direkte Abhängigkeit durchblicken. Entwürdigend!
Es entschied ein Harzgeröder über Wohl und Wehe der unterstellten “Sündenböcke”.
Nach dem DDR-Zusammenbruch wurde dieser Mann dann Eigentümer des ganzen Gebäudes …
1988, im 4. Jahr meiner Selbständigkeit, bekam ich erst- und einmalig einen Holz-Freigabeschein, um neue Dachlatten zu erhalten. Ich brauchte die ja eigentlich bei jedem neuen Schornstein als Ersatz für die alte verschlissene Dachlattung.
Doch weit gefehlt. Bislang wurden immer die alten Hölzer, egal wie brüchig von mir zwangsläufig wiederverwendet.
Den besagten Freigabeschein hatte ich beim Herrn E. im Kreisbauamt abzuholen. Zuvor wurde ich von Eingeweihten instruiert, wie ich mich bei ihm diesbezüglich zu verhalten habe …
Von den 1,5 Kubikmetern Holz gab ich gleich einen halben Meter an E. ab. Der schrieb folglich 2 Scheine aus, einen für mich, einen für sich. Obendrein wurde er erst aktiv, als ich eine gute Flasche Weinbrand übergeben hatte.
Jährlich erhielt ich in der Folgezeit eine einzige Freigabe für 10 Tonnen losen Zement. Den hatte ich in Bernburg im dortigen Zementwerk in Empfang zu nehmen. Die Oberen wussten, dass ich das normalerweise nie bewerkstelligen könnte. Dafür hatte ich weder ein Fahrzeug noch ein Silo. Ich sollte den Zement sicher mittels Bus und Bahn in Einkaufsbeuteln holen - und 70 km transportieren.
Aber egal:
Ich charterte schwarz, also ohne eine Genehmigung für etwa 70.- Mark einen Plastopack-LKW. Das Geld teilten sich der Fuhrparkleiter und der Fahrer für ihre Angst, erwischt zu werden. Dann ging’s nach Bernburg. Hier im Versand übergab ich jedes Mal den Freigabeschein und 150.- Mark Schmiergeld.
So wurden dann aus 10 t losem Zement innerhalb Sekunden 8 t Sackware. Die Materialganoven behielten also für sich auch noch 2 Tonnen ein, die sie obendrein weiter verscherbeln konnten. So sahen auf allen Gebieten die DDR-weiten Materialbeschaffungen aus. Chaos war Alltag!
Bis zum DDR-Beitritt 1990 sanierte ich als “Freiluftakrobat” genau 265 Schornstein-Köpfe, auf Grund der Mangelwirtschaft ohne Gerüst und ohne Aufzug und unter Verletzung jeglicher Arbeitsschutzbestimmungen. Hier habe ich wohl die gesundheitlichen Grundlagen für meine spätere Frühverrentung gelegt.
Da bereits am 19.08.1980 unsere Claudia geboren wurde, war es für uns auch nicht unerheblich, dass nun bald einiges Geld mehr in die Wirtschaftskasse der Familie floss.
Selbständig arbeiten heißt, bei Fleiß auch ein dickeres Einkommen einzufahren. Das war auch in der DDR in bescheidenem Maße schon so.
Selbst wenn es unglaublich klingt, mehr als alles Geld lockte mich aber, frei zu sein! Herr über mich selbst!
Ich war nun Direktor, Arbeiter und Betriebs-Parteisekretär in Personalunion!
Jeder folgende Arbeitstag in Selbstverantwortung für mich und meine Familie. Ein tolles, ja stolzes Gefühl ist das, überkommt mich in Erinnerung noch heute!
Es waren wohl die körperlich schwersten aber auch schönsten und interessantesten Arbeitsjahre meines ganzen Berufslebens. Meine Arbeit machte Sinn!
Hierbei habe ich eine Unzahl von verschiedensten Kunden kennen gelernt und könnte manche Anekdote hervorzaubern, nur das eben gehört sich nicht! Ein Handwerksmeister sollte stets, ähnlich dem katholischen Pfarrer, einem meiner treuesten Kunden, das Schweigegelübde beachten. Ich jedenfalls tue dies!
Und so kann und will ich auch nichts Nachteiliges über den Pfarrvikar sagen, nur über meine eigene Dusseligkeit sprechen …
Gleich zu Beginn meiner Selbständigkeit erhielt ich vom Pfarrer einige dringende Reparaturarbeiten an der katholischen Kirche aufgetragen. Dem Pfarrer schien meine Ausführung zu behagen und so ergab es sich, dass ich immer mal wieder beauftragt wurde; diesmal im Kirchenschiff Teile der Zementscheuerleisten zu erneuern. Um mir die Stellen zu zeigen liefen wir beiden vom Pfarrhaus durch den Gemeinderaum und die Sakristei. Der Pfarrer mir schön voran. Aus der Sakristei ging’s durch die seitliche Tür rechts rum in den Altarraum. Rumms! Da ist Zottmann im hohen Bogen über Hochwürden geflogen. Der Steinfußboden ist ganz schön hart gewesen …
Ich als Ungläubiger ahnte doch nicht, dass sich gleich hinter der Tür der Pfarrer auf’s Knie schmeißt, um sich zu bekreuzigen. Und da bin ich mit flottem Schritt aufgelaufen. Der liebe Gott scheint doch alles zu sehen, denn ich wurde postwendend durch Sturz bestraft …
Manch Auftrag war eben auch mit Blessuren verbunden, und Geld gezählt wurde immer erst zum Feierabend.
Um unser “vieles” Geld zu bewachen, lag es nahe, sich nun einen “Wachhund” anzuschaffen. Ich hatte nun fast so viel Angst, wie der Zivilangestellte, der einst versuchte, mich zum verlängerten Waffendienst zu bewegen.
Wir kauften unseren Französischen Hütehund, einen “Berger de Brie”; unseren treuen “Cardo vom Torfloch”. Er stammte aus einem C-Wurf, weit hinter Eilenburg, aus Sprotta, am Rande der Dübener Heide. Der Züchter zeigte uns alle noch verfügbaren Welpen und meinte dann auf einen zeigend: “Den können sie nicht kriegen, der Carlo ist schon vergeben!” Da waren wir nicht sonderlich traurig, denn einen Carlo hatten wir schon …
Wenn wir später unseren Hund riefen, ist Sohnemann Carlo so manches mal mit angelaufen gekommen. Cardo aber hatte das bessere Gehör, konnte besser unterscheiden. Dieses liebe langhaarige braune Monster sah aus wie “Alf der Außerirdische” (TV-Serie).
Cardo brauchte jeden Tag eine gehörige Portion Futter. Doch selbst dies zu besorgen bereitete einem oft genug Kopfzerbrechen. Hundefutter wie heutzutage gab es in der DDR nicht. Was heute oftmals in den Futter-Dosen landet wurde vermutlich damals zur besseren Versorgung der Bevölkerung in die Wurst gedreht. ;)
Wir hatten nur die Möglichkeit etwa 2 mal im Monat im Quedlinburger Schlachthof von der Freibank, (heutiges Kauflandgelände) uns mit verworfenen Innereien und Pansen zu versorgen.Oft kauften wir aber beim hiesigen Fleischer Lunge, um diese erst mühselig und mit reichlich Gestank verbunden zu kochen.
Ansonsten waren alle Harzgeröder Hundebesitzer in der glücklichen Lage im Geflügelschlachthof kostenlos Abfälle zu erhalten. Oft half einem dabei sogar der Chef persönlich, scherzhafter Weise “Doktor” Martin genannt, denn meistens begegnete man ihm mit blutverschmiertem weißen Kittel. Martin war einer, der selbst noch tüchtig anpackte. So nahm man dort eimerweise mit, was man bekam. Entweder abgetrennte Hühnerköpfe oder die von Puten.
Um einmal satt zu werden, verspeiste unser Hund gut 30 rohe Hühnerhäupter. Die fraß er gerne. Bei den harten Putenköpfen musste er sich mehr anstrengen. Hier reichten etwa 13 Stück. Den Hund regten aber deren spitze Schnäbel auf. Wenn er die ausspuckte guckte er immer sehr vorwurfsvoll …
Da er ein “Wendezeit-Hund” war, erlebte sein Hundeherz ab 1990 noch tägliche Freudensprünge beim Fressen. Auch er bestand nun auf ordentliche Westportionen, also bundesdeutsches Futter!
Wir hatten ihn auch oft und viel zu kämmen. Das besorgte dann bald unsere Claudia, die fast alle Freizeit mit ihrem neuen treuen Gefährten in den nächsten 10 Jahren verbrachte. Lustig war es anzusehen, wenn Claudia und Cardo in seiner recht beengten Hundehütte verschwanden. Da ist nie etwas passiert. Das war ein Team, wie ein altes, eingeschworenes Ehepaar. All zu viel musste unser Hund aber nicht bewachen, denn so wie unser Geld einging, wurde es anfangs wieder für Auto- und Transporter-Käufe und auch deren Reparaturen und Wiederaufbauten ausgegeben.
Niemand durfte und konnte in der DDR einfach so einen Transporter für seine Firma kaufen. Abgesehen davon, dass es auch absolut keine diesbezüglichen Angebote gab. Wenn überhaupt, mussten zuvor erst umständlichst, mit vielen Formularen staatliche Freigaben, sprich Erlaubnisse eingeholt werden. Mein erstes Firmenfahrzeug bekam ich nach etlichen Laufereien und Querelen noch im Winter, Ende 1984, für 3.200.- Mark vom VEB Maschinenbauhandel Halle zugewiesen. Es war ein uralter an- bis durchgerosteter “TV” aus Rumänien. Was “TV” heißt, haben wir nie ergründen können, eventuell “Transport Vehikel”. Im Volksmund hießen diese 2-Tonnen-Pritschenwagen aber ohnehin irreführend nur “Balkanziege”. Soviel wie der Karren hat aber nie eine Ziege gesoffen!
Verbrauch von Halle bis Harzgerode etwa 35 Liter Benzin, also für etwa 70 km. Das war der wirkliche Verbrauch.
50 Liter auf 100 km! Nur Panzer brauchten mehr …
Ein viertel Jahr später brachte ich das blaue Monstrum mit großem finanziellen Verlust wieder zurück. Die Fahrzeugkarosse hielt nur noch durch die dicke, mit Bürste aufgetragene blaue Farbe.
Zwischenzeitlich hatte ich einen “Framo”, Baujahr 1952, von einem Schlossermeister inoffiziell abgekauft. Offiziell gingen 1.600.- Mark durch die Bücher.
Dieser uralte unsynchronisierte 3-Zylinder-2-Taktmotor (Wartburg) hatte einen wesentlich geringeren Verbrauch, vertrug aber dafür auch nur 0,80 Tonnen Zuladung.
Mit Beladung und Tempo 60 fuhr bereits “Gevatter Tod” auf dem Beifahrersitz mit. Die Stoßdämpfer waren genauso alt wie das Vehikel selbst, und somit nur noch reine Zierde.
An einem Freitag meldete ich mich beim Rat des Kreises, Abteilung Handel und Versorgung. Diese hatte mir eine Bescheinigung auszufertigen, damit ich das Auto vom Schlosser über den VEB Maschinenbauhandel offiziell kaufen durfte. Jedes gebrauchte Nutzfahrzeug musste über diesen Volkseigenen Betrieb verkauft werden. Ganz schön umständlich, wie alles im gelobten Paradies …
Beim Kreis wollte man mir den Stempel jedoch verweigern, denn die wollten das Fahrzeug sinniger Weise verschrotten. Meine Not war Schlossers größtes Glück.
Als die meinen Namen hörten (die erinnerten sich wohl noch an meinen Fernseher-Kauf) und ich eröffnete, solange im Büro zu verweilen, bis ich das nötige Schriftstück mein Eigen nennen könne, gab es einige unschöne Wortgefechte:
… Ich wies darauf hin, ganz genau die Honecker’sche Unterstützung der neuen Handwerksmeister vernommen zu haben. Der hatte doch echt getönt, unsereins großzügig zu unterstützen, noch dazu schnell und unbürokratisch …
Sollte es nun erst “diplomatische” Verwicklungen mit Zottmann geben? Nein!
So bekam ich nach vielleicht 2 Stunden “Sitzstreik” meinen Freigabezettel. Und die ihren pünktlichen Feierabend. Und der Schlosser nicht nur den Schrottpreis bezahlt.
Nach 2 Jahren Geschlingere über die holprigen Landstraßen musste aber auch ich einsehen, dass der “Framo” samt Papieren nach Wallwitz bei Halle zur Verschrottung gehört. Aufgrund des zu erwartenden Verschrottungsprotokolls durfte ich nun einen “B1000” beim VEB Maschinenbauhandel Halle für 3.600.- Mark erwerben.
Das war allerdings ein schrottreifer Krankenwagen mit zwei noch nicht reparierten Unfallschäden. Trotz Hinweis, dass die Karre fahruntüchtig sei, bin ich damit bis nach Harzgerode gefahren. Das habe ich trotz Getriebeschaden irgendwie geschafft! Das Auto sollte nun schnellstens repariert werden. Sollte!
Ganze zwei Jahre brauchte dann die Werkstatt in Quedlinburg, bis ins Frühjahr 1989, um mir das Fahrzeug für insgesamt 23.000.- Mark “repariert” zu übergeben. Da war es noch nicht lackiert und zu allem Übel war weiterhin das Getriebe defekt. (Ein ladenneuer “B1000” hätte nur 24.000.- Mark gekostet, war aber nie zu bekommen)
Immer noch hatte der Transporter seine blinden Krankenwagenscheiben mit den roten Kreuzen drauf. Abhilfe sollten neue, telefonisch bestätigte vorhandene Scheiben aus einer privaten Halberstädter Autoglaserei schaffen. Dort vorgefahren eröffnete man mir, dass ich die nun doch nicht bekomme, denn das Auto hätte ja Scheiben. Dieser Autoglaser hatte von mir ganz unverfroren vor irgendeiner Lieferung Geldscheine erwartet …
Er scheint in der Neuzeit aber angekommen zu sein, denn den Glaser gibt es heute noch in der Region. Mir als Handwerkerkollegen half er damals aber nicht. Dort werde ich auch heute, schon aus Prinzip nie Kunde.
In dieser Zeit war ich notgedrungen gezwungen, weiterhin alle Transporte mit unserem “Skoda L 120” und danach mit unserem gebraucht gekauften “Wartburg Tourist” samt Anhänger abzuwickeln.
Doch jetzt hat es mir gereicht. Ich schrieb einen Brief an Genscher!
Nein, nicht an den bundesdeutschen Außenminister, nein, nur an seinen in Halle arbeitenden Neffen. Den Genossen Genscher, verantwortlich für Handel und Versorgung. Der hatte mir nun ein regeneriertes Getriebe zu besorgen. Nachdem der meinen klagenden Brief gelesen hatte, handelte er auch verhältnismäßig flott …
Dieser Mann “durfte” uns schon einmal helfen: Damals veranlasste er, dass die Genossin Wolf einen Trabant-Auspuff personengebunden erhält. Das war 1978, da war der erste Auspuff nach drei Jahren durchgerostet und der neue lag dann in einer Werkstatt in Stolberg zur Abholung bereit.
Wir wussten also, auf Genschers ist Verlass. Eine tolle Hallenser Familie!
“Schon” im Herbst 1989 hatte ich einen beige-braun lackierten “B1000”-Bus mit seitlicher großer Werbung, von meinem Vater gefertigt, ein Novum zu dieser Zeit. Beides geschah in Harzgerode in Eigenleistung. Nach langen Wirren wurde dann endlich das Getriebe gewechselt. Ich hatte aber bis dahin auch insgesamt rund 29.000.- Ostmark ausgegeben …
Was konnte es nun noch Schöneres geben …?
Und dann kam der 9. November 1989, die wirkliche Wende war unumkehrbar!
Der Osten wurde nun endlich auch Westen! Die DDR hauchte aus und schnelles Handeln war geboten, um unsere drohenden gewaltigen finanziellen Verluste in Grenzen zu halten.
Für vielleicht 5 Monate Nutzung des “B1000” habe ich 20.000.- Ostmark berappt.
So hoch bezifferte sich mein direkter Wertverlust! Der fahrbereite Wagen kostete meine Firma also jeden folgenden Kalendertag etwa 133.- Ostmark. (Ich darf nicht darüber nachdenken.)
Den “B1000” habe ich nämlich bereits im Februar 1990 hellseherisch ganz schnell an Privat für etwa 9.000.- Ostmark nach Torgau verkauft, noch verkaufen können. Zum Glück, denn der materielle Wert des gesamten ostdeutschen Fuhrparks verringerte sich tagtäglich, fast stündlich. Das waren starke inflationäre Tendenzen. Mehr gab es nicht mehr dafür. Schade!
Im Moment erschienen mir die Arbeitsbedingungen wie verhext!
Ich habe nun ein paar Monate zwangsweise wieder alle Transporte mit unserem Wartburg erledigt.
Doch wie goldrichtig meine Verkaufs-Entscheidung war, sollte sich recht bald zeigen …