Im Jahr 1956 zogen wir durch einen Wohnungstausch von der Bergstraße 3 in eine passendere 3-Raum-Wohnung, in die Maxim-Gorki-Straße 2, auch in der Süderstadt gelegen. Die 4-Familien-Häuser nannte der Volksmund “Fliegerhäuser” weil sie um 1936 für das Personal des neu entstandenen Fliegerhorstes “Römergraben” Quarmbeck gebaut wurden. Die Wohnung war mir schon deshalb sympathisch, weil auch sie Parterre links gelegen war, so, wie bei Zottmanns in Wittlaer. Hier war allerdings nur der Haussockel rot geklinkert.
Familie Zottmann hatte fortan die wohl beste Aussicht in der ganzen Süderstadt. Ich konnte aus dem Wohnzimmer über die Johann-Sebastian-Bach-Straße (früher Husarenstieg) mit seinem betonierten und später dann verdeckten Splittergraben bis zum Heinrichsplatz hinunter sehen. Fast soweit wie die Niederrheiner …
Die behaupten ja immer noch, bis zur Nordsee sehen zu können, ja, wenn nur Holland nicht so stören würde … ;)
Ich bin mit der Straßenbezeichnung zeitlebens beim Husarenstieg geblieben. Als Kind bekam ich nämlich den neuen langen Namen nicht über meine Lippen. Trotz aller Mühe, es blieb immer wieder die Johannjebannjebachstraße.
Es ist sowieso bekloppt, nach jedem Machtwechsel die Straßen umzubenennen. Ebenso die Schulen. Martin Schwantes, nach dem meine spätere Schule benannt wurde, war ein aufrechter Vorkriegs-Kommunist und im Februar 1945 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet worden. Warum musste nach der 1989-er Wende sein Name einem früheren Quedlinburger Bürgermeister namens Ernst Bansi weichen? Das kann niemand recht erklären.
Und sollten die Machtverhältnisse nochmals wechseln, ginge der ganze Zirkus von vorne los …
Betonierte Splittergräben zogen sich an einigen Stellen immer noch durch die Süderstadt, sie waren Schutzgräben, Überbleibsel aus dem 2. Weltkrieg. Sie wurden erst wesentlich später zugeschüttet und begrünt. Als Kinder sind wir dort noch einige Male, verbotener Maßen, eingestiegen. Prima “Spielplätze” hatten wir.
2 Tage nach uns zogen ebenfalls Parterre, neben uns rechts, im gleichen Haus die Freunde meiner Eltern, Karl und Marianne und ihre 2 Töchter, ein. Beide Mädchen älter als ich. Uns trennten 2 bzw. 5 Jahre.
Über uns wohnten Fam. M.. Er war Ingenieur im VEB Philopharm und sie eine dauerrauchende Hausfrau samt schon älterem Sohn.
Was damals allerdings niemand wußte: Else M. war steinreich, der gehörten immer noch, nicht ausgebombte Mietshäuser nahe des Berliner Kurfürstendamms (West-Berlin). Bei einer später, in den 70-er Jahren genehmigten Rentner-Besuchsreise fand sie auch prompt ihren Rückweg nicht mehr, zumal ihr Georg dort auch noch urplötzlich verstarb.
- Stock rechts wohnte Ehepaar P. mit Sohn. Sie stammten gebürtig aus Dortmund. Herr P. war ehemals hier stationiert, als Fluglehrer in der Wehrmacht, jetzt war er ein ganz Trauriger, denn er durfte zu DDR-Zeiten nie wieder aufsteigen. Er hätte sich ja, vielleicht sogar samt Frau “verfliegen” können, davor hatte man Angst …
Frau P. war ebenfalls Hausfrau, rauchte aber nie Kette, obwohl sie sich das auch durchaus hätte leisten können. Denn ihrer Familie gehörten seinerzeit irgendwelche im Krieg halbwegs heil gebliebenen Maschinenbau-Werke in Dortmund (Westdeutschland).
Im Jahr 1965 baute das WBK (Wohnungsbaukombinat) unser Dachgeschoß in Feierabendarbeit zu einer schönen 2-Raum-Wohnung aus. Hier zog dann der Hauptakteur Klaus samt seiner Anni ein. Ihr Sohn Raik wurde genau an meinem 15. Geburtstag geboren. Später, viel später waren dann Klaus, den alle aber nur Charly nennen, und ich nach gemeinsamen 2-Jahres-Lehrgang Meisterkollegen. Doch soweit ist es noch lange nicht!
Erstmal musste ich eingeschult werden.