Meine Tante Judith war ein lebenslustiges Mädchen. Und war bereits Mutter von meiner jüngsten Cousine Agnes, als sie gerade 18 Jahre wurde und in Ditfurt heiratete. Ich spielte im gleichen Alter noch im Sand … :)
Dort haben die drei auch recht schnell eine Wohnung in einem alten Gutshof bezogen. Hin und wieder besuchte ich mein Tantchen per Fahrrad in Ditfurt.
Zu einem Besuch tauchte dort eine Freundin Judiths auf, die junge Tochter des dortigen Schulhausmeisters. Ein hübsches Mädchen, jedoch mit einem viel zu langem Pony. Die Haare hingen bereits weit in ihre Augen. Judith gegenüber beklagte sie ihre Haarlänge und wollte deren Meinung erfahren. Da hat Judith der Hafer gestochen:
“Du hast Glück, hier, mein Neffe Volker schneidet dir die Haare sofort und umsonst.” Nun log sie, dass sich die Balken bogen: “Der lernt doch Friseur und Pony schneiden kann der schon!”
Erst schaute die Ditfurterin skeptisch, doch Judith zerstreute alle ihre aufkommenden Zweifel, indem sie umgehend eine Schere holte und mir in die Hand drückte. Und ich gefiel mir in der Rolle des Figaros … “Na dann mal los!”
Pony schneiden kann wohl so schwer nicht sein, war in etwa mein Gedanke. Ich versuchte mich also an der ahnungslosen Probandin. Alle Haare kurz mal nach vorn gekämmt und dann ein einziger Schnitt quer über den Augen. Schon war ich fertig. Judith aber bekam einen Lachkrampf.
Die kleine süße Kundin wollte nur noch einen Spiegel!
Oh Schreck, der erste Versuch ging schief, aber richtig schief! Wir wurden uns nun schnell einig, dass diese Scharte sofort ausgemerzt werden müsse. Also, gleiche Prozedur nochmal anders herum. Der Pony war nun nicht mehr nach links schief.
Nein, diesmal nach rechts … Neuer Versuch, es war zum Verzweifeln. Ich merkte schnell, wie schwer es doch angehende Friseure haben. Kurz und gut, ich habe noch einige Male mein Bestes gegeben und sie hat ihre letzten Ponyhaare geopfert. Zum Schluss war der “Pony” gerade. Allerdings war ihre Stirn nun bis zum Haaransatz frei. Ihr Pony glich mehr einer Tonsur …
Und Tante Judith lacht sich heute noch krank …
2 Jahre später war ich dann als wirklicher Lehrling in Ditfurt, allerdings als Maurerlehrling. Ausgerechnet ich musste mit, als die Schule erweitert wurde. Den Hausmeister habe ich täglich gesehen, seine verzweifelte Tochter aber zum Glück nie wieder …