Meine Mutter keiferte, äußerte ihre Bedenken, was wohl die Harzgeröder Nachbarn sagen würden, wenn ich einfach so zu Reimonde ziehe. Wilde Ehe? Nein!

Kurz gesagt, es gab Krach. Doch der Druck der auf mir lastete war produktiv! So kam mir an einem der nächsten Tage die geniale Idee, doch Nägel mit Köpfen zu machen …

Reimondes Eltern hatte ich mit den Anderen am Vorwochenende bereits das erste Mal gesehen. Nun musste ich wieder hin …! Mein zukünftiger Schwiegervater ahnte, dass etwas im Busch ist, guckte verschmitzt zu mir und fragte mich aufs gerade Wohl, wann wir uns wohl verloben wollen.

“Nein, nein Herr Richter, ich dachte an Hochzeit!”

Mein ahnungsloser, armer Schwiegervater rutschte kurz in seinem Sessel zusammen, doch er sammelte sich auch sehr schnell wieder. Schwiegermutter in spe und Reimonde wurden kurzer Hand in die Küche geschickt, und ich einer ernsten, vielleicht halbstündigen Befragung unterzogen. Ich weiß deren Inhalt heute nicht mehr, ich kann jedoch keine zu dummen Antworten gegeben haben. Die Frauen wurden nämlich wieder ins Wohnzimmer gebeten und dann wurden erste taktische Maßnahmen für unsere Festlichkeiten besprochen.

Tags drauf wurde unsere Entscheidung den Quedlinburgern Kund getan. Ruck zuck herrschte auch dort Eitel Sonnenschein. Wer hätte das gedacht?

Entweder merkten meine Eltern, dass sie gegen meinen festen Lebensentschluss machtlos waren, oder freuten sie sich gar, mich endlich los zu sein …?

Nein, glaube ich nicht, doch etwas irritiert waren sie bestimmt. Meine Schwester aber profitierte am meisten, ab nun hatte sie immer ihr eigenes sturmfreies Zimmer.

Ich jedenfalls schnappte meine “Mitgift”, die wirklich aus nur zwei Handtüchern bestand, meine Zahnbürste und meine eigene Wäsche und verschwand in den Weiten der Harzwälder …

Mein Schwiegervater war mir sehr behilflich meinen Zuzug nach Harzgerode schnell durchzusetzen. Das war damals nicht so einfach wie heute. Ich wurde beim amtierenden Bürgermeister vorstellig. Der hatte anfangs Bedenken, weil ich nach der Heirat ja hätte raren Wohnraum beanspruchen können. Reimondes Vater gab mir Rückenstärkung. Ich musste ein sinnloses Formblatt unterschreiben, niemals in Harzgerode einen Wohnungsantrag zu stellen, und schon war ich mit dem Segen der SED eingebürgert. Ohne diesen Schrieb hätten die mich auch zuziehen lassen müssen. Die Staatsmacht spielte aber selbst da mit den Muskeln, und offenbarte dem kleinen Mann seine eigene Rechtlosigkeit. Er wurde immer wieder daran erinnert, gefälligst unterwürfig sein Dasein zu fristen.

Unbeirrt wurde nach sieben Wochen am Dreikönigstag dem 6. Januar 1973 geheiratet. Die bislang beste Entscheidung meines Lebens (vom späteren Kinderzeugen mal abgesehen! ;))

Unser Polterabend fand in der Schwiegereltern-Wohnung statt. Hier im alten jüdischen Kaufhaus “Meyer Ahlfeld”, in der heutigen Arztpraxis, über der heutigen Apotheke, bewohnten sie im 1. Stock eine 2-Zimmer-Wohnung. Darin feierten dann 91 Leute.

Mein Freund Udo wurde von mir auch eingeladen, kam aber nicht. Der kannte mich ja und glaubte der Schnelle wegen, er würde durch mich veräppelt …

Bildröhre (Quelle)

Die meisten Gäste kamen aus Reimondes PGH-Rundfunk und brachten entgegen allen Polter-Regeln Glas zum Zerschlagen mit. Und das in Form von etwa 30 Bildröhren. Diese zertöpperten die Wahnsinnigen dann in der Münzstraße, etwa dort, wo heute Elektro-Schlink seinen Laden betreibt. Ich hatte jedenfalls mächtig zu kehren, noch dazu auf Kopfsteinpflaster. Reimonde half fleißig mit, so, wie wir noch heute alles möglichst gemeinsam tun.

Die Hochzeitsfeier fand dann tags drauf in der August-Wolf-Straße 36 bei Regenwetter statt (und so ereilte uns auch bei allen familiären Großereignissen, wie z.B. Geburten oder Kalifornien-Silberhochzeitsreise der glückbringende Regen ;)).

Hochzeit

Wir haben diese aber nur im ganz kleinen Familienkreis gefeiert. Meine Oma lag derzeit im Krankenhaus, konnte nicht dabei sein. Im Gegensatz zum Polterabend war abends schon halb elf Schluss. War aber nicht so tragisch, denn dadurch war meine bislang erste Hochzeitsnacht entsprechend länger!

Mann, was haben wir geschlafen …