1973 und 1974 hatte ich als Brigadier monatliche Bau- und Lohnabrechnungen zu fertigen. Dazu teilten sich 3 Meister und mehrere Brigadiere 2 kleine Rechenmaschinen. Mechanische wohlgemerkt! Die sind heutzutage Museumsstücke und Uneingeweihte würden damit wohl niemals eine simple Multiplikation hinbekommen.
Ein Beispiel: Bei der Aufgabe 36 mal 17, musste die 36 erst mittels Hebeln eingestellt werden und dann mussten mit einer seitlichen Kurbel 17 volle Umdrehungen vollführt werden. Tolle Technik, allerdings bis zur Hannover-Messe 1973, wirklich technischer Höchststand. Weltniveau!
Wir hatten als Lehrlinge bereits ab 1966 eine “Einführung” in die elektronische Datenverarbeitung erhalten, doch fand diese in der DDR nur mittels Papp-Lochkarten statt. Unverändert, wie zu Zuses Zeiten. In Thale und auch in Quedlinburg wurden riesige Rechenzentren für die Bearbeitung und Auswertung der Loch-Pappkarten gebaut. 50 Meter lange, klimatisierte Hallen waren das, mit je 3 langen Seitenflügeln. Diese Zentren namens “R-300” wurden DDR-weit errichtet, hatten aber weniger Rechenleistung als ein heutiger PC.
Als ich seiner Zeit im Westfernsehen einen Bericht über die Hannover-Messe sah und dort der erste “Omron-Taschenrechner” präsentiert wurde, war ich platt. Ein DDR-Ingenieur hatte Jahre zuvor die Leuchtdiode erfunden, unser kleines Land aber erkannte deren Potential nicht, wusste nichts damit anzufangen. Und so wurde der erste Leuchtdioden-bestückte Rechner später vom Westen präsentiert.
Als ich dann auch noch den Preis dieses Wunderwerks erfuhr, nämlich nur um die 60.- DM, war ich gänzlich platt.
“Tante Ruth” aus Wolfenbüttel, eine “Abgehauene”, eine geflüchtete Küchenhilfe aus Friedrichsbrunn und ehemalige Kollegin von Oma Wolf, wollte diese gerade erstmalig hier in Harzgerode besuchen. Da lag es nahe, dass diese Ruth uns solchen Rechner mit über die Grenze brachte. Wir baten sie darum und erstatteten ihr die 60.- DM für unsere Bestellung, mussten ihr aber versprechen, diesen Rechner erst nach ihrer glücklichen Wiederausreise zu verwenden. So geschah es denn auch!
Sie hatte eine Heidenangst vor der Staatssicherheit, meinte auch, die ganze Besuchszeit über beschattet zu werden. Sie war erst kurz vor dem Mauerbau geflüchtet und hatte nun 14 Jahre später, trotz Amnestie immer noch Angst vor Sanktionen.
Ich war der Allererste, der im WBK mit einem Rechner aufwarten konnte. Ich wurde bei meiner ersten Präsentation förmlich umringt. Der Star war jedoch der Rechner! Der “Omron” beherrschte nur die 4 Grundrechenarten, sonst nichts. Dennoch brauchte ich mir nie wieder die Finger an der volkseigenen Rechenkurbel verbiegen. Und Wartezeiten auf die Maschine hatte ich auch nie mehr zu beachten. Es hat übrigens noch mindestens 10 weitere Jahre gedauert, bis jeder Meister Dank Planwirtschaft im Wohnungsbaukombinat mit einem volkseigenen Taschenrechner bestückt war.